Warum entscheiden sich junge Wissenschaftler:innen für die Forschung? Wie sehen ihre Karrierewege aus? Was treibt sie an und mit welchen Schwierigkeiten sind sie ggf. konfrontiert? Über diese Fragen sprach Forschungsfeldkoordinatorin Dr. Marina Bockelmann mit Luis Fernando Arenas Martinez. Er ist Humboldt-Stipendiat am Institut für Chemische und Elektrochemische Verfahrenstechnik (ICVT) der TU Clausthal unter der Leitung von Prof. Thomas Turek.
Könntest du bitte erläutern, wie du auf die TU Clausthal aufmerksam geworden bist und welche Beweggründe du hattest, dich der Arbeitsgruppe von Prof. Turek anzuschließen?
Luis Fernando Arenas Martinez: Ich bin im Rahmen einer Förderung der Humboldt-Stiftung nach Clausthal gekommen. Diese Stiftung erlaubt jungen Forschenden, unter Erfüllung entsprechender Förderbedingungen, ihre wissenschaftliche Laufbahn für maximal zwei Jahre an einer deutschen Hochschule fortzusetzten. Während meiner Promotion im englischen Southampton bin ich als Elektrochemiker auf die deutsche Tagung „Electrochemistry“ gestoßen, die 2016 in Goslar unter anderem von Prof. Turek organisiert wurde. Leider konnte ich an der Tagung selbst nicht teilnehmen. Ich habe mir jedoch den Tagungsband sowie entsprechende Publikationen angeschaut und festgestellt, dass die Ausrichtung der Arbeitsgruppe von Prof. Turek perfekt zu dem passte, was ich selbst auch zukünftig machen wollte. Und so habe ich angefangen nach Wegen und Möglichkeiten zu suchen, mich der Arbeitsgruppe anzuschließen.
Was genau fandest du an den Arbeiten der Gruppe für dich persönlich interessant?
Ich bin als Elektrochemiker im Bereich der Flussbatterien aktiv, ebenso die Arbeitsgruppe. In der Chemie ist es üblich, standardisierte Messaufbauten in einem sehr kleinen Maßstab zu verwenden. Diese Aufbauten sind für Grundlagenforschung absolut hilfreich. Jedoch halte ich persönlich den Aspekt der Skalierbarkeit und der Übertragbarkeit der Grundlagenforschung auf reale Systeme für essentiell. Die Arbeitsgruppe von Prof. Turek beschäftigt sich eben mit diesen realen Systemen aus der Blickrichtung der Verfahrenstechnik. Außerdem ist das Institut sehr stark im Bereich der physikalisch-mathematischen Modellierung, was ich beeindruckend finde. Und so waren Prof. Turek und ich uns bei den Vorgesprächen sofort einig, dass die Kombination meiner Erfahrungen aus der Grundlagenforschung mit der angewandten Ausrichtung des ICVT sehr spannende Arbeiten und Erkenntnisse hervorbringen würde.
Nun bist du seit über einem Jahr hier. Haben sich deine Erwartungen erfüllt?
Prinzipiell schon. Ich habe am ICVT mit einem für mich neuen Thema angefangen – der organischen Flussbatterie. In Anbetracht der Endlichkeit der Metalle auf unserem Planeten, die üblicherweise als aktive Komponente in Batterien dienen, ist eine interessante Fragestellung, ob es uns gelingt, organische Verbindungen zu finden, die als Ladungsträger fungieren und Tausenden von Lade- und Entladevorgängen standhalten können. Ich habe während des ersten Jahres in Clausthal einen entsprechenden Versuchsaufbau entwickelt, passende Mess- und Analysemethoden ausgesucht und erste Erfahrungen im Umgang mit organischen redox-aktiven Verbindungen gesammelt. Eine weitere positive Erfahrung ist die Zusammenarbeit mit Prof. René Wilhelm vom Institut für Organische Chemie. Dazu ist bereits die erste Publikation kurz vor der Einreichung. Nun arbeiten wir daran, die am ICVT entwickelten Methoden auf diese Systeme anzuwenden.
Hast du bereits konkrete Pläne für die Zukunft?
In knapp einem Jahr endet das Humboldt-Stipendium und so langsam muss ich mir Gedanken über weitere Finanzierung machen. Dazu bin ich im Gespräch mit Frau Schröder vom Forschungsservice der TU. Ich kann mir vorstellen, weiterhin am ICVT zu bleiben, vielleicht werde ich jedoch auch weiterziehen müssen. Ich habe inzwischen mein Kontaktnetz in Deutschland deutlich erweitert, so dass es einige Möglichkeiten für wissenschaftliche Kooperationen gibt. Das nächste Jahr wird alles zeigen.
Das klingt nach einem harten Leben, das Dasein als Wissenschaftler. Was treibt dich an und was würdest du dir für die Zukunft wünschen?
Ja, das stimmt, noch bin ich als Wissenschaftsnomade ständig unterwegs. Ich habe in Mexiko studiert, in England promoviert, bin aktuell hier in Clausthal und weiß, dass ich in einem Jahr mit einer großen Wahrscheinlichkeit irgendwo anders sein werde. Es gibt nicht viele Berufe, die so viele Möglichkeiten bieten, das Leben und Kulturen in verschiedenen Ländern kennen zu lernen. Und das alles, während man jeden Tag kreative Arbeit leistet. Ironischerweise haben Wissenschaftler:innen in der heutigen Zeit jedoch auch nicht viele andere Möglichkeiten. Damit meine ich, dass es eine Weile dauert, bis man die für eine feste Anstellung erforderlichen Qualifikationen erworben hat. Als Antriebskraft dient mir dabei die Liebe zur Wissenschaft. Bereits als kleiner Junge habe ich mir die Dokureihe „Unser Kosmos“ angeschaut und wollte unbedingt wissen, was die Ursache für die Existenz der Dinge ist. Die „Wissenschaft“ schafft neues Wissen und das Behalten des Wissens ist die „Geschichte“. Daraus ergibt sich die Rolle des Wissenschaftlers als Forscher und Hüter des Wissens. Es wird sehr schnell philosophisch und begeistert mich jeden Tag aufs Neue.
Ich habe das Privileg das zu tun, was ich persönlich für sinnvoll halte. Damit meine ich, das Streben nach Wissen zur Verbesserung unserer Welt. Auch wenn ich ein Millionär wäre, würde ich wahrscheinlich fast dasselbe tun wie jetzt. Zukünftig möchte ich Professor oder Leiter einer Forschungsgruppe in der Elektrochemie werden, um dauerhaft die Möglichkeit zu haben, wissenschaftlich tätig zu sein und jungen Menschen zu vermitteln, wie wir von der Natur lernen und das Gelernte in technische Entwicklungen umsetzen können.
Kontakt:
TU Clausthal
Forschungsfeldkoordinatorin
Dr. Marina Bockelmann
Telefon: +49 5323 72-3924
E-Mail: marina.bockelmann@tu-clausthal.de