Insgesamt 18 Partner forschen künftig daran, die metallurgischen Abfallströme der Titandioxid- und Aluminiumproduktion wieder zur Titanherstellung zu nutzen. Das Verfahren hat das Potenzial die europäische Luftfahrt- und pharmazeutische Industrie unabhängig von russischen Titan-Importen zu machen – ein wichtiges strategisches Ziel der EU. Gleichzeitig soll der CO2-Fußabdruck gegenüber der herkömmlichen Herstellung von Titan (Kroll-Verfahren) um 90 Prozent reduziert werden. Koordinator des EU-Projekts EURO-TITAN unter Führung der TU Clausthal ist Prof. Bengi Yagmurlu, Professor für Hydrometallurgie am Institut für Aufbereitung, Recycling und Kreislaufwirtschaftssysteme.
In der Niedersächsischen Landesvertretung in Brüssel kamen Ende Januar erstmals Vertreterinnen und Vertreter aller Partner zum persönlichen Austausch für zwei Tage zusammen. „Viele kennen sich bereits aus bilateralen Kooperationen – aber für den Erfolg und die effektive Zusammenarbeit eines so großen Projektes ist es wichtig, dass sich alle Partner persönlich kennen. Jeder hat seine Kompetenz und bringt diese in den nächsten vier Jahren in ein sehr genau ausgearbeitetes Forschungsprogramm ein. Doch ebenso wichtig ist, dass die persönliche Chemie stimmt“, so Koordinator Yagmurlu.
„Europäischer Geist“ spürbar
In unmittelbarer Nähe des EU-Parlaments war der „Europäische Geist“ spürbar. Daneben ist Yagmurlu der Landesvertretung noch aus einem anderen Grund dankbar, dass er das Kick-off-Meeting in deren Räumlichkeiten in Brüssel ausrichten durfte: „Dadurch sind drei Vertreter der Europäischen Kommission zum Treffen gekommen. Sie haben einen ganzen Tag mit uns diskutiert sowie wertvolle Hintergrundinformationen und Tipps gegeben – und waren nicht wie sonst üblich nur online zugeschaltet. Das ist unbezahlbar.“
Policy Officer Daniel Cios erläuterte auch, wie das Projekt in die Rohstoffstrategie der EU passt. Titan steht sowohl auf der Liste der „Critical Raw Materials“ als auch der „Strategic Raw Materials“. Die EU muss sich strategisch unabhängiger von Rohstoff-Importen machen. 100 Prozent der globalen Titan-Primärrohstoffe kommen aus Ländern außerhalb der EU, davon 43 Prozent aus China und 25 aus Russland. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist die Versorgung gefährdet, zum Beispiel für die europäische Luftfahrtindustrie oder die pharmazeutische Industrie. Gleichzeitig wird aktuell nur ein Prozent des Titans recycelt.
Genau an diesem Punkt setzt das EURO-TITAN-Projekt mit einem neuen Verfahren an: Zukünftig könnte bis zu 30 Prozent des globalen Titanbedarfs aus Sekundärrohstoffen gewonnen werden. Dies soll mit einem direkten Titan-Reduktionsverfahren mit Nutzung von grünem Wasserstoff erreicht werden. Die Demonstration ist bei den Industriepartnern im bosnischen Aluminium-Doo-Werk und beim Bergbauunternehmen ORANO in Frankreich geplant. KI-Experten entwickeln parallel die Inline-Echtzeitdatenüberwachung, um die Prozesse zu optimieren. Der Preis für das aus den Reststoffen gewonnene Titan wird im Vergleich zu Importen aus Russland und China um 15 Prozent niedriger sein, schätzen die Experten.
Europäische Großunternehmen sowie KMU als Partner
Folgerichtig sind europäische Großunternehmen wie ORANO, Venator, Aluminia Doo, FERRO DUO oder SIKA Teil des Konsortiums. Dazu sind Remondis, Airbus und die Salzgitter AG Mitglieder im Begleitausschuss von EURO-TITAN. Forschungspartner wie die RWTH Aachen, die Bundesanstalt für Materialforschung (BAM), die Middle East Technical University und die University of East Sarajevo sowie sieben kleine und mittlere Unternehmen (KMU) komplettieren den Verbund. „Die vielen Partner des Konsortiums sind erforderlich, um den gesamten Kreislauf mit allen anfallenden Stoffströmen entlang der Wertschöpfungskette zu betrachten. Das ermöglicht schließlich die Bewertung des neuen Verfahrens aus technischer und wirtschaftlicher Sicht sowie über ein Life Cycle Assessment die CO2-Einsparung gegenüber dem konventionellen Kroll-Verfahren“, erläutert Prof. Yagmurlu. „Zudem werden alle Reststoffe des vorgestellten Prozesses etwa in Baustoffen eingesetzt, auch die Abwasserbehandlung und Restwärmenutzung wird betrachtet.“
„Nach dem erfolgreichen Kick-off-Meeting freuen sich die Partner auf die Zusammenarbeit – und das nächste persönliche Treffen in Athen“, so Dr. Heike Schröder (Servicezentrum für Forschung und Transfer), die an der TU Clausthal für die EU-Förderberatung zuständig ist und Prof. Yagmurlu nach Brüssel begleitete. Insgesamt wird das Verbundprojekt mit fünf Millionen Euro von der EU gefördert, mehr als 700.000 Euro entfallen auf die TU.
Kontakt:
Prof. Bengi Yagmurlu
Institut für Aufbereitung, Recycling und Kreislaufwirtschaftssysteme
TU Clausthal
E-Mail: bengi.yagmurlu@tu-clausthal.de
Telefon: +49 5323 72-2622