Schlüsseloptionen für die Entsorgung radioaktiver Reststoffe: Memorandum vorgestellt

Hannover. Das Forscherteam von ENTRIA (Entsorgungsoptionen für radioaktive Reststoffe) hat jetzt in Hannover ein 40-seitiges Memorandum vorgestellt. Darin werden die wichtigsten Spannungsfelder dargelegt, mit denen sich die Entscheidungsträger bei der Frage nach der Entsorgung hoch radioaktiver Reststoffe und Abfälle in den nächsten Jahren auseinanderzusetzen haben.

Deutschland steht hier möglicherweise an einem Wendepunkt. So soll in einem Standortauswahlverfahren geklärt werden, welche zentrale Entsorgungsoption welche Vor- und Nachteile besitzt. Dieses Problem der Schlüsseloptionen „wartungsfreies Tiefenlager“, „Tiefenlager mit Rückholbarkeit“ und „langfristige Oberflächenlagerung“ steht im Mittelpunkt des interdisziplinären Forschungsverbunds ENTRIA, der von der Niedersächsischen Technischen Hochschule (NTH) und externen Partnern getragen wird. „Es gilt, Lösungen zu finden, die sicherheitstechnisch angemessen, aber auch ethisch-moralisch vertretbar und rechtlich umsetzbar sind und die von der Gesellschaft akzeptiert werden“, sagt Klaus-Jürgen Röhlig, Sprecher des Projekts ENTRIA und Professor am Institut für Endlagerforschung an der TU Clausthal.

Die ENTRIA-Forschung fällt in eine Zeit, in der mit dem Standortauswahlgesetz von 2013 und der kürzlich erfolgten Auswahl der Mitglieder für die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ ein gesellschaftlicher Konsens in der hoch kontroversen Frage der sicheren Lagerung radioaktiver Abfälle angestrebt wird. ENTRIA arbeitet unabhängig von dieser Kommission, aber es besteht ein inhaltlicher Zusammenhang mit deren gesetzlichem Auftrag: Die Kommission soll sich zu Beginn ihrer Arbeit mit strategischen Fragen zur oberirdischen Zwischenlagerung sowie zur Rückholung, Bergung und Wiederauffindbarkeit der radioaktiven Abfälle befassen. Dies sind auch ENTRIA-Arbeitsfelder.

„Das Memorandum ist auch ein Angebot für die neue Kommission“, sagt Clemens Walther, stellvertretender ENTRIA-Sprecher und Professor am Institut für Radioökologie und Strahlenschutz der Leibniz Universität Hannover. „Wir geben jedoch keine fertigen Antworten oder Entscheidungsvorlagen, sondern legen dar, was es bei Entscheidungen zu bedenken gilt. Wir haben es mit einem technisch wie gesellschaftlich komplexen Problem zu tun.“ So würden Zielkonflikte auftreten, wenn rückholbare Tiefenlager im Vergleich zur wartungsfreien Tiefenlagerung generell als vorteilhaft angesehen werden. „Ebenso ist bei der zu prüfenden Option der langfristigen Oberflächenlagerung nach der Fairness zu fragen“, ergänzt Walther. Ist es fair, unseren Nachkommen die Sorge um diese Stoffe überwiegend abzunehmen? Oder soll man unseren Nachkommen im Gegenteil möglichst viel Freiheit für eigene Entscheidungen lassen? Mehr als 20 solcher „Spannungsfelder“ zeigt ENTRIA in seinem Memorandum auf. Die Forschungen des Projekts werden 2017 abgeschlossen.

In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsverbund ENTRIA arbeiten seit Anfang 2013 Natur-, Ingenieur-, Geistes-, Rechts-, und Sozialwissenschaftler aus den Mitgliedsuniversitäten der NTH, der Freien Universität Berlin, der Universität Kiel, des Karlsruher Institut für Technologie und aus der Schweiz zusammen. Diese ungewöhnliche Zusammensetzung des Projekts über Disziplingrenzen hinweg ergibt sich aus der Erkenntnis, dass die Entsorgungsfrage neben der technischen auch eine politisch-gesellschaftliche Dimension besitzt.

Das Memorandum finden Sie unter: www.entria.de

Kontakt:

ENTRIA-Sprecher


Prof. Dr. Klaus-Jürgen Röhlig (TU Clausthal)


Telefon (05323) 72 4920


E-Mail: klaus.roehlig@tu-clausthal.de

Der Forschungsverbund ENTRIA beschäftigt sich mit Entsorgungsoptionen für radioaktive Reststoffe. Dazu liefert er interdisziplinäre Analysen und entwickelt Bewertungsgrundlagen. Foto: TU Clausthal