Materialforschung in der Schwerelosigkeit - dank Kooperation zwischen TU Clausthal, DLR und BAM

Berlin/Clausthal. 22 Sekunden schwerelos - und das 30 Mal hintereinander pro Flug, bei insgesamt vier durchzuführenden Flügen: Das erwartet Professor Jens Günster und Diplom-Ingenieur Thomas Mühler vom Institut für Nichtmetallische Werkstoffe (INW) der TU Clausthal im September. Beide werden an der 30. Parabelflugkampagne des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) teilnehmen und ein Experiment zur additiven Fertigung unter Bedingungen der Schwerelosigkeit durchführen.

Der Parabelflug wurde im Rahmen einer Kooperation der Technischen Universität Clausthal mit dem DLR und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) über den Campus Funktionswerkstoffe und -strukturen beantragt.

„Pulverbasierte additive Fertigung unter Schwerelosigkeit“ heißt das Projekt, bei dem Versuche zum schichtweisen Auftrag von Pulver für die pulverbasierte additive Fertigung unter Bedingungen der Schwerelosigkeit (Mikrogravitation) durchgeführt werden sollen. Ziel ist es, mittels solcher Verfahren die Herstellung beispielsweise von Werkzeugen oder Ersatzteilen im Weltraum zu ermöglichen. Die Fertigung erfolgt auf Basis von Datenmodellen; dabei wird in diesem Fall Pulver mittels chemischer und/oder physikalischer Prozesse geformt - vergleichbar mit dem bekannten 3D-Druck-Verfahren. Die hier zum Einsatz kommenden Verfahren wurden zum Teil bereits international patentiert (zum Beispiel US 91533 1452 B2): Sie gehen auf zwei Patentfamilien zurück, die innerhalb Deutschlands gemeinschaftlich von der BAM und der TU Clausthal und außerhalb Deutschlands von der BAM alleinig anmeldet wurden.

Die Versuche werden von Professor Günster, der neben der Abteilung Hochleistungskeramik am Clausthaler INW den Fachbereich Keramische Prozesstechnik und Biowerkstoffe der BAM verantwortet, und Dr. Andrea Zocca (BAM) betreut. Das Team besteht weiterhin aus den Doktoranden Jörg Lüchtenborg und Pedro Lima, die den Versuch an der Berliner Bundesanstalt vorbereiten, vor Ort betreuen und als Reserve für eventuelle Ausfälle zur Verfügung stehen. Mühler, Doktorand an der TU Clausthal, und Marc Sparenberg, Doktorand am DLR, nehmen ebenfalls an dem Flug teil. Nach dem im letzten Jahr genehmigten Promotionsprogramm „Selbstorganisierte multifunktionale Strukturen für den adaptiven Hochleistungsleichtbau“ ist dies ein weiterer Meilenstein der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen der BAM, dem DLR und der TU Clausthal.

Der Flug wird von Novespace im Auftrag des DLR durchgeführt. Novespace operiert vom französischen Flughafen in Bordeaux aus und fliegt die Parabeln über dem Atlantik. Parabelflüge werden für wissenschaftliche Experimente in Schwerelosigkeit und zum Testen von Raumfahrttechniken eingesetzt. Eine DLR-Parabelflugkampagne besteht in der Regel aus drei Flugtagen zu je vier Flugstunden, an denen jeweils 31 Parabeln geflogen werden. Dabei steigt das Flugzeug aus dem horizontalen Flug steil nach oben, drosselt die Schubkraft der Turbinen und fliegt dabei eine Parabel, bei der für etwa 22 Sekunden Schwerelosigkeit herrscht. Insgesamt stehen so bei einer Flugkampagne etwa 35 Minuten Schwerelosigkeit - im Wechsel mit normaler und doppelter Erdbeschleunigung - zur Verfügung, die Forscher für ihre Experimente nutzen können.

Bis zu 40 Wissenschaftler können an einem Flug teilnehmen, bei dem sich im Normalfall zwölf bis 13 Experimente an Bord befinden. Seit 1999 gibt es ein solches Flugprogramm. Dafür genutzt wird derzeit ein umgebauter Airbus A 310, mit dem die Luftwaffe zuvor Regierungsmitglieder transportierte. Im Innern des Flugzeugs gibt es einen 100 Quadratmeter großen Raum, der mit Schaumstoffmatten ausgelegt ist, für die Versuche.

Kontakt:

TU Clausthal
Pressesprecher
Christian Ernst
Telefon: +49 5323 72-3904

E-Mail: christian.ernst@tu-clausthal.de

Bei einem Parabelflug wird die Schwerelosigkeit simuliert - dies wird zum Beispiel für wissenschaftliche Zwecke in der Forschung genutzt. Foto: DLR/Novespace