Erste Studentin an der TU Clausthal: Marlies Raudschus erinnert sich

Clausthal-Zellerfeld. „Anfangs“, erzählt sie, „musste ich mich durchbeißen, später haben mich alle respektiert.“ Dr. Marlies Raudschus ist die erste Studentin gewesen, die sich an der Technischen Universität Clausthal immatrikuliert und ihr Diplom gemacht hat. (Unter dem Namen Technische Hochschule Clausthal bzw. Bergakademie Clausthal hatten sich schon vorher Frauen eingeschrieben). 46 Jahre später hat sie mit dem Netzwerk Frauen, einem Zusammenschluss von Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen, ihre alte Uni wieder besucht.

 

 

Ende März 1968 ist die damalige Technische Hochschule Clausthal zur Technischen Universität aufgestiegen. Und am 17. April 1968 hat sich Marlies Raudschus in Clausthal eingeschrieben. Dem vorausgegangen waren einige glückliche Umstände. So wollte die junge Frau aus Goslar nach dem Abitur „eigentlich möglichst weit weg von zu Hause“. Zunächst sollte aber ein Praktikum in der Region absolviert werden. „Bei der Firma Starck holte ich mir eine Absage. Mädchen nehmen sie nicht so gerne, hieß es“, erinnert sie sich. Über Kontakte ergatterte sie einen Praktikumsplatz im Institut für Anorganische Chemie der TU Clausthal. Institutsleiter Professor Armin Schneider sei anfangs zwar skeptisch gewesen, habe aber ein kleines Gehalt gezahlt und ihr später nahegelegt, Chemie zu studieren.

 

 

 

 

Und so kam es. Die erste Vorlesung im Frühjahr 1968 ist Frau Raudschus auch heute noch gegenwärtig: Mit den Worten „Morgen, meine Herren!“ begrüßte der Professor die Erstsemester. Daraufhin hagelte es Protest. Jetzt greifen die Studentenunruhen auch in Clausthal um sich, dachte der Hochschullehrer. Irrtum. „Wir haben auch eine Frau dabei“, erklärten die Männer ihr Geschrei.

 

 

 

 

„Ein Mädchen, 70 Jungs - so blieb das in unserem Semester bis zum Diplom“, berichtet Marlies Raudschus, „aber mir hat das nicht geschadet.“ Im Gegenteil. „Ich würde immer wieder Chemie studieren, und immer wieder in Clausthal.“ Die kleinen Gruppen, der große Zusammenhalt, der von Semester zu Semester wachsende Respekt bei den Kommilitonen. „Ich war bald bekannt wie ein bunter Hund“, sagt sie. Da konnte sie es auch verschmerzen, dass die Tür zum Studentenwohnheim für sie zu blieb. „Dort gab es nur Etagenduschen, deshalb musste ich mir privat ein Zimmer nehmen.“

 

 

 

 

1973 erhielt die heute 66-Jährige ihr Diplom in Chemie unter dem Namen Marlies Vogel. „Danach bin ich meinem Mann nach Köln gefolgt und habe dort promoviert“, erklärt sie, wie sie nach Nordrhein-Westfalen kam. Später arbeitete sie im Umweltamt in Lippstadt in leitender Funktion, bis sie vor einem Jahr pensioniert wurde. War es schwer als Frau in einer Führungsposition klarzukommen? „Wenn ich Männern gegenüber gesagt habe“, berichtet die resolute Frau, „dass ich in Clausthal studiert habe, dann wurde ich sofort als Fachfrau wahrgenommen.“

 

 

 

 

Die Reise in ihre studentische Vergangenheit unternahm Marlies Raudschus gemeinsam mit 13 Kolleginnen aus dem Netzwerk Frauen, das drei Tage den Harz besuchte. An der Uni begrüßte Professor Andreas Schmidt, Studiendekan der Fakultät für Natur- und Materialwissenschaften, die Runde. Danach berichtete Margrit Larres vom Gleichstellungsbüro der Universität über die Gleichstellungsarbeit an der TU Clausthal und stellte fest, dass Studentinnen im Oberharz heute selbstverständlich sind. Im weiteren Gespräch brachte Eva Peine die Stimmung von vielen aktuellen und ehemaligen Clausthaler Studierenden auf den Punkt. Die Hauptdezernentin bei der Bezirksregierung in Arnsberg war in der Besuchergruppe nach Marlies Raudschus die zweite, die einst an der TU studiert hatte: „Erst wollte ich nur ein, zwei Semester bleiben, aber dann hat es mir so gut gefallen, dass ich sieben Jahre geblieben bin.“

 

 

 

 

Kontakt:

TU Clausthal
Pressesprecher
Christian Ernst
Telefon: +49 5323 72-3904

E-Mail: christian.ernst@tu-clausthal.de

 

 

Dr. Marlies Raudschus begann im Sommersemester 1968 ihr Studium an der TU Clausthal, einige Tage zuvor war die Hochschule zur Universität geworden. Foto: Ernst