Erste Kurse für Clausthaler „Bergburschen“ gehen zurück bis ins Jahr 1775. Das sei zunächst nicht mehr als ein Bergmann-Fortbildungsprogramm gewesen, fasst der 86-jährige Müller das Kapitel Vorgeschichte zusammen. Um 1810 sei die Bergschule in Clausthal dann unter dem maßgeblichen Einfluss dreier Männer institutionalisiert worden: Heron de Villefosse, von Napoleon Bonaparte 1807 eingesetzter Generalinspekteur der Bergwerke zwischen Rhein und Weichsel, Friedrich Ludwig Hausmann, seit 1803 Auditor beim Bergamt Clausthal und später Generalinspekteur für das Montanwesen, sowie Franz August von Meding, Clausthaler Berghauptmann von 1803 bis 1812.
Das Buch, das jetzt als erster Band in einer neuen Schriftenreihe der Clausthaler Universitätsbibliothek erschienen ist, beruht auf einer Vielzahl von Vorstudien, die Autor Müller (Rektor der TU Clausthal von 1986 bis 1988 und von 1990 bis 1992) seit Ende der 1980er-Jahre publiziert hat. Basis dafür waren Archivbestände der Hochschule und des Oberbergamtes. Bei der nun erfolgten zusammenfassenden und ergänzten Darstellung, angereichert um zahlreiche Abbildungen und Verzeichnisse, brachte sich Co-Autor Türck ein.
Zurück in die Vergangenheit: Erster Leiter der Clausthaler Bergschule war Christian Zimmermann (1811 bis 1853). Ostern 1811 nahm er mit 56 Schülern den Unterricht auf. In der Folge gelang unter Adolph Roemer (1853 bis 1867) „der Anschluss der Einrichtung an die Wissenschaft“, so Müller. Seit 1859 dauerte die Ausbildung vier Jahre. Die 24 bis 28 Wochenstunden umfassten neben etwa Hüttenkunde, Bergbaukunde und Probierkunst auch ein naturwissenschaftliches Basisprogramm. In Roemers Amtszeit fiel 1864 die Aufwertung der Bildungseinrichtung zur international anerkannten Königlichen Bergakademie. 1870 kam die Hälfte der Studenten aus Deutschland, die andere Hälfte aus aller Welt, insbesondere aus Nord- und Südamerika.
Neben Fakten, Einordnungen, Ausführungen zur Gebäudesituation und Kurzbiographien hervorragender Lehrkräfte fördert Müller sehr unterhaltsame Aspekte zu Tage. Studentenulk und Pistolen-Duelle werden beschrieben: So habe die Polizei am 15. Januar 1858 dem Bergamt gemeldet, dass im Zuge von Straßenunfug an Häusern Teile von Dachrinnen abgerissen worden waren. Als Täter, die die Polizei aber nicht sicher feststellen konnte, vermutete man etwa 25 Bergschüler, die laut Gastwirt Hartwig zuvor mehr als 200 Flaschen Bier getrunken hatten. Bereits ein Jahr zuvor hatte sich ein „nächtliches Vorkommnis“ ereignet. Bergschüler hatten die städtischen Nachtwächter Finke und Kaiser geneckt, indem sie das Blasen des Nachtwächterhorns nachahmten. Bis auf den völlig betrunkenen Louis Prediger konnten alle den Nachtwächtern entkommen. Amtsrichter Bauer verkündete später für alle Beteiligten den Freispruch aus Mangel an Beweisen.
Derweil schritt der Ausbau der Bergakademie weiter voran. Der Lehrkörper wurde in den 1880er-Jahren mehr und mehr durch die Einführung etatmäßiger Professuren verändert. Um die Wende zum 20. Jahrhundert kam es dadurch zu einer zunehmenden Autonomie der Bergakademie vom Clausthaler Oberbergamt. Die Bergakademie strebte die Normalverfassung einer wissenschaftlichen Hochschule mit Wahlrektorat, der Berechtigung zur Habilitation, Promotion und zur Verleihung des Titels Diplom-Ingenieur an. Das Ringen um diese Rechte währte ein Vierteljahrhundert. 1919 wurde die Rektoratsverfassung in Kraft gesetzt, 1920 erhielt die Bergakademie das vollständige Promotionsrecht.
Kontakt:
TU Clausthal
Pressesprecher
Christian Ernst
Telefon: +49 5323 72-3904
E-Mail: christian.ernst@tu-clausthal.de