30 Jahre Gleichstellungsarbeit an der TU Clausthal

Mit einem kurzweiligen Event und einer Ausstellung in der Aula Academica hat die Universität dieses Jubiläum gefeiert – und dabei viele moderne Denkanstöße gegeben.

„Wo steht die Gleichstellung an Universitäten heute?“ Diese Frage beantwortete Prof. Heike Schenk-Mathes, die neue geschäftsführende Präsidentin der TU Clausthal, in ihrer Begrüßung anhand von Zahlen: Die Hälfte der Studierenden sind Frauen, 50 Prozent der Abschlüsse entfallen auf Frauen, bei den Promovierenden sind 45 Prozent weiblich, aber unter den Professor:innen ist nur jede vierte weiblich. Wertvoll sei es, den Frauen in Hinblick auf eine Karriere in der Wissenschaft Anschub zu geben, sagte sie und verwies etwa auf die Mentoringprogramme an der TU. „Ich hoffe“, beendete Frau Schenk-Mathes ihre Einführung vor annähernd 100 Gästen, „sie spüren, wie wichtig der Hochschulleitung das Thema Gleichstellung ist.“

Im Verlauf der vergangenen drei Jahrzehnte hat der Bereich jedenfalls zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dies ist im belebenden Impulsvortrag von Dr. Natalia Schaffel-Mancini deutlich geworden. Die hauptberufliche Gleichstellungsbeauftragte der TU Clausthal nahm das Publikum mit auf eine Zeitreise von 1992 bis 2022: Das erste Frauenbüro wird 1992 in der Uni-Bibliothek eröffnet mit Dr. Antonia Schramm als erster Frauenbeauftragten. Zwei Jahre später ist es nach mehr als 200 Jahren Hochschulwesen im Harz soweit – die TU Clausthal ernennt ihre erste Professorin, die Chemikerin Gudrun Schmidt-Naake. 1996 feiert das Schnupperstudium für Schülerinnen Premiere, das seitdem ein Erfolgsmodell ist. 2002 nimmt die TU erstmals am Girls‘ Day teil. 2008 wählt die Universität ihre erste hauptberufliche Gleichstellungsbeauftragte, Margrit Larres. In den folgenden Jahren werden der Familienförderpreis (2009), die Babybegrüßung (2010), die Ferienbetreuung (2012) und die Großtagespflege der Uni-Mäuse (2014) eingeführt.

Viele Projekte initiiert und umgesetzt

2018 übernimmt dann Frau Schaffel-Mancini die Aufgabe als Gleichstellungs- und zugleich Diversity-Beauftragte. In der Ferienbetreuung beginnt die Kooperation mit der Stadt. Das Mentoringprogramm für Nachwuchswissenschaftlerinnen (2019) startet durch. Der barrierefreie Internetauftritt kommt, die Arbeit am Diversity-Audit (2020) läuft an, das Niedersachsen-Technikum (2020) wird wiederbelebt und die Kinder-Online-Uni (2020), das Frauennetzwerk Women&Science (2021) sowie die Großtagespflege Uni-Luchse (2021) werden ins Leben gerufen. Schließlich debütiert ein zweites Mentoringprogramm – für Masterstudentinnen (2022).

Nach den Fakten bekamen die Gäste – musikalisch unterhalten von der groovING TUC Big Band – Hintergründe und Emotionen geboten. Und zwar bei einer Podiumsdiskussion mit aktuellen und früheren Gleichstellungsbeauftragten, die von Frau Prof. Schenk-Mathes fundiert moderiert wurde. „Die Frauenbilder in den Köpfen haben sich in 30 Jahren verändert. Die Akzeptanz ist da, jetzt muss das Wissen zur Anwendung kommen“, sagte Brigitte Just von der Hochschule Hannover und langjähriges Vorstandsmitglied der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen in Niedersachsen (lakog). Martina Wächter, die 1979 als einzige Frau unter 65 Männern ein Maschinenbaustudium in Clausthal aufnahm und seither an der TU tätig ist, berichtete launig von ihren Erfahrungen als nebenberufliche Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragte. Ihr Fazit: „Mir hat diese Arbeit sehr viel gebracht.“ Die aktuelle Perspektive steuerte Angela Binder bei, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Bergbau: „Bei allen heutigen Querschnittsthemen, etwa bei der Digitalisierung oder der Internationalisierung, sollte die Gleichstellung immer mitgedacht werden.“

Für Privilegierte fühlt sich Gerechtigkeit wie Benachteiligung an

Viele moderne Denkanstöße lieferte auch der Keynote-Vortrag des Events. Robert Franken, der Gründer von „Male Feminists Europe“ und Botschafter der Initiative „HeForShe Deutschland“ sprach über das Thema „Was, wenn wir falsch liegen? Perspektivwechsel für eine solidarische Arbeit an inklusiven Organisationen“. So stellte er beispielsweise ein Zitat von Romeo Bissuti, Psychologe und Leiter des Männergesundheitszentrums Wien, in den Gleichstellungskontext: „Für Menschen mit Privilegien fühlt sich Gerechtigkeit wie Benachteiligung an.“ Franken plädierte dafür, das Patriarchat zu beenden und mehr Gerechtigkeit und Vielfalt zu schaffen. Sein Credo: „Hört auf die Frauen zu verbessern, verbessert lieber das System.“

Beim abschließenden Ausklang mit Buffet und Getränken diskutierten die Gäste engagiert über die vielen Eindrücke der Veranstaltung. Zur Verköstigung gab es Bier aus der Forschungsbrauerei von Prof. Frank Endres, Institut für Elektrochemie. Zudem lieferte eine Ausstellung zu „30 Jahre Gleichstellung an der TU Clausthal“, zusammengetragen insbesondere von Tatjana Methfessel (Familienservice) und präsentiert auf zwölf Staffeleien, einen gelungenen Rahmen.  

Kontakt:
TU Clausthal
Pressesprecher
Christian Ernst
Telefon: +49 5323 72-3904
E-Mail: christian.ernst@tu-clausthal.de

 

Personen an einem kleinen runden Tisch halten eine Präsentation

Podiumsdiskussion zur Gleichstellung (von links): Prof. Heike Schenk-Mathes, Angela Binder, Martina Wächter, Brigitte Just und Dr. Natalia Schaffel-Mancini. Gäste des Events (siehe Bilder unten) waren auch Prof. Gudrun Schmidt-Naake, die erste Professorin an der TU Clausthal, sowie Keynote-Speaker Robert Franken. Eine Ausstellung zu „30 Jahre Gleichstellung an der TU“ kam sehr gut an. Fotos: Christian Ernst