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Mit einer neuen Interviewreihe möchte die Universität insbesondere jungen Wissenschaftler:innen der TU Clausthal eine Stimme geben. Heute: Christian Niklas Leppin. Mit ihm sprach Forschungsfeldkoordinatorin Dr. Marina Bockelmann.

Hallo Christian, danke, dass du dir die Zeit nimmst und mir dein Labor zeigst. An was forschst du hier?

Christian Leppin: Ich forsche in der Arbeitsgruppe von Professor Diethelm Johannsmann am Institut für Physikalische Chemie an Materialien und Prozessen an Grenzflächen. Die Schwingquarzmikrowaage (quartz crystal microbalance, QCM) stellt für mich dabei die Schlüsseltechnik dar. Die Methodik QCM basiert auf einem piezoelektrischen Sensor, der durch eine elektrische Wechselspannung zu mechanischen Schwingungen angeregt wird. Kleinste Ablagerungen bzw. Abscheidungen auf der Sensoroberfläche oder rheologische Änderungen der Messlösung haben einen Einfluss auf diese Schwingung und verändern die Resonanzfrequenz sowie die Dämpfung, wodurch in-situ Beobachtungen der ablaufenden Prozesse möglich sind. Die QCM ist somit ein mächtiges Tool, welches zur Charakterisierung von Polymerschichten, zur Untersuchung elektrochemischer Reaktionen, in der Materialforschung bis hin zu medizinischen Fragestellungen, wie z. B. der Detektion von Erregern oder Proteinwechselwirkungen eingesetzt werden kann.

An welchen Prozessen seid ihr konkret interessiert?

Unser Fokus liegt nicht allein auf der Erforschung bestimmter Prozesse, sondern auch auf der Optimierung und Modifizierung der QCM selbst. Umso vielfältiger die unterschiedlichen Anwendungen der QCM sind, umso komplexer kann sich die Auswertung und Interpretation der Messergebnisse gestalten. Ich kann dir gern ein Beispiel geben. Die gängigsten Quarzscheiben haben eine Eigenfrequenz von 5 MHz und aktuelle QCMs, die typischerweise auf Impedanzanalyse oder Ring-Down basieren, liefern eine zeitliche Auflösung von 0.1-1 s. Für dynamische Untersuchungen, wie beispielsweise bei der Charakterisierung von Intermediaten in der Elektrochemie aber auch dem Verfolgen von Trocknungsprozessen dünner Schichten, wie man sie durch Elektrospraybeschichtung oder dem Drucken von pL-Tropfen erhält, ist das in den meisten Fällen viel zu langsam. Deshalb arbeiten wir an der sogenannten fast QCM, die mit Hilfe von Multifrequenz Lockin Verstärkung (MLA) realisiert wird. Das Prinzip kannst du mit der Impedanzanalyse vergleichen, allerding werden anders als bei der Impedanzanalyse weniger Stützfrequenzen verwendet, die dafür simultan gemessen werden. Als Ergebnis resultiert eine Zeitauflösung im Bereich von 1 ms. Unter bestimmten Umständen können auch 100 µs erreicht werden. Die fast QCM ermöglicht es, neben dem Grundton auch Resonanzfrequenzen und Dämpfungen auf mehreren Obertönen parallel zumessen, wodurch neben Massenänderungen auch Änderungen in Rauigkeit sowie den viskoelastischen Eigenschaften bestimmt werden können. Wir sind also mehr daran interessiert, die Informationstiefe zu erhöhen und so das Einsatzspektrum der QCM noch weiter zu vergrößern. Daher beschäftigen wir uns folglich mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Anwendungsbeispielen, die wir mit Hilfe der fast QCM charakterisieren. Aktuell liegt unser Interesse auf elektrochemischen Reaktionen (Elektroabscheidung, redoxaktive Moleküle, Wasserelektrolyse, weiteres), dem schnellen responsiven Verhalten von Polymermaterialien sowie der rheologischen Charakterisierung von Biomolekülen (Proteine und monoklonale Antikörper) unter Scherstress.

Du sprichst mit sehr viel Begeisterung über deine Forschung und besitzt merklich Expertenwissen auf dem Gebiet der QCM. Wie lange beschäftigst du dich inzwischen mit dem Thema und wie weit bist du mit deiner Promotion?

Ich habe in Clausthal Chemie studiert und bin bereits im Bachelor an das Institut für Physikalische Chemie gekommen. Die Bachelorarbeit hat mir ebenso wie meine weiteren Forschungsarbeiten extrem viel Freude bereitet, weil ich bereits dort sehr frei meine eigenen Ideen einbringen und verfolgen konnte. Im Anschluss an meine Bachelorarbeit wurde ich gefragt, ob ich Interesse an einer Promotion am IPC hätte. Also habe ich zügig meinen Master abgeschlossen und als Doktorand bei Herrn Johannsmann angefangen. Aktuell bin ich als Postdoc weiterhin am Institut für Physikalische Chemie tätig.

Hast du dich somit für die wissenschaftliche Laufbahn entschieden?

Ich kann es mir sehr gut vorstellen in der Wissenschaft zu bleiben. Aktuell bin ich auf der Suche nach einer passenden Postdoc-Stelle im Ausland bzw. einem Postdoc-Stipendium für einen Auslandsaufenthalt, um neue Erfahrungen und Eindrücke in einer anderen Arbeitsgruppe zu sammeln.

Kannst du noch verraten, weshalb du dich für ein Studium an der TU Clausthal entschieden hast?

Ich komme aus Braunschweig und wollte als Schulabsolvent nicht in der gleichen Stadt studieren und bei meinen Eltern wohnen bleiben, also zog es mich aus Braunschweig weg. Die Mieten in größeren Städten sind oft hoch für den studentischen Geldbeutel und Chemiestudierende berichteten häufig von Kapazitätsproblemen in Laboren oder ähnlichen Schwierigkeiten an großen Universitäten. Ich habe an einem der Schülerinformationstage an der TU Clausthal teilgenommen und fühlte mich sofort aufgenommen in dem familiären Umfeld der Universität. So habe ich meinen Weg nach Clausthal gefunden.

Vielen Dank, Christian, für das informative Gespräch und die Einblicke in deinen Forschungsbereich.

Die Dissertation von Dr. rer nat. Christian Niklas Leppin steht auf dem Publikationsserver der TU Clausthal für Interessierte zur Verfügung.

 

Dr. Christian Leppin vor seinem Messaufbau im Institut für Physikalische Chemie. Auf dem Bild unten hält er eine Messzelle für z.B. elektrochemische Untersuchungen in der Hand, daneben sind benutzte QCMs, piezoelektrische Sensoren, zu sehen. Fotos: Marina Bockelmann